Diese Frage wird mir als „Learning-Professional“ (komischer Begriff, finden Sie nicht auch? Den werde ich an anderer Stelle noch einmal näher erläutern müssen…) oft gestellt. Ich antworte dann oft mit einer Gegenfrage und einem alternativen Vorschlag:
Warum über Begriffe wie „New Learning“ sprechen, Definitionen suchen, diskutieren und dabei feststellen, dass ein einheitliches Verständnis in einer zunehmend heterogenen Bedürfnislage schwer ist? Wie wäre es stattdessen, wenn wir alle, die Lernen in Unternehmen ermöglichen bzw. unterstützen, uns darauf konzentrieren, individuelle Lösungen für individuelle Entwicklungs- und Lernbedarfe zu schaffen?
Meiner Meinung nach sollte der Fokus auf dem liegen, was den Bedarf und die Chance für Entwicklung eigentlich erst begründet: den Menschen und ihren individuelle Entwicklungsbedürfnisse. Im Arbeitskontext gilt das für Mitarbeitende wie für Führungskräfte. Diese benötigen alle individuelle Unterstützung, Ideen und Methoden für Lernen und Entwicklung in ihrem Alltag. Also Lösungen, die sie möglichst eigenständig wählen, anwenden und deren Erfolg selbst prüfen können.
Also eher Unterstützung anbieten, möglichst selbstgesteuert und selbstwirksam sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die einem „wichtig“ für die eigene Weiterentwicklung und künftige Zielerreichung erscheinen. Dann ist die Motivation meist so groß, dass sich Lernende gar nicht mehr fragen müssen, „lerne ich schon oder suche ich noch nach einem passenden Lernangebot?“…
Aus meiner Sicht sind die Zeiten lange vorbei, wo ein „one-fits-all“ Ansatz für Definitionen und Lernangebote passend erschienen. Vielleicht könnte man sogar überspitzt sagen, dass es eigentlich noch nie so wirklich gepasst hat? – Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Nur heute wird immer augenfälliger, dass Anforderungen, Lern- und Entwicklungsbedarfe viel zu unterschiedlich und einem ständigen Wandel unterworfen sind, als dass „Standard-Lernen“ passt.
Warum also nicht die Energie darauf verwenden, Menschen dabei Unterstützung zu bieten, selbst erkennen und formulieren zu können, „wie es ist, wenn es gut ist“ und „was nach der Entwicklung/dem Lernen besser als zuvor ist“?
Denn mit diesen Zielbildern ist der erste Schritt in die gewünschte Richtung bereits getan. Dann „möchte man“, oder erkennt zumindest die Notwendigkeit für Veränderung, Lernen und Entwicklung. Dann ist „Lernen an sich“ meist gar kein Thema mehr. Lernen wird zu einer Art Begleitfaktor, den man unbewusst in seinen Erfahrungsrucksack packen kann. Und auf dem Weg zum selbstgesteckten Ziel merkt man gar nicht, dass man automatisch mitten drin ist im Lernen und es fast schon erreicht hat.
Was braucht es, um diese Art von individueller Unterstützung als Learning-Professional zu leisten?
- Zeit zuzuhören und sich neugierig erklären zu lassen, was die Zielrichtung von Entwicklung ist.
- Zeit, Fragen zu stellen, die es den Hilfesuchenden ermöglicht, selbst Wege und Zielbilder zu entdecken.
- Mut, sich darauf einzulassen, dass man selbst gar nicht die optimale Lösung schaffen kann. Denn ich kann gar nicht bewerten, was optimal ist. Dies kann nur der- oder diejenige, der/die das eigene Ziel kennt.
- Vertrauen darauf, dass innerhalb geschaffener Rahmenbedingungen eigenverantwortliche Handlungen von denjenigen ausgeführt werden, die lernen und sich entwickeln möchten.
- Spaß daran, Menschen dabei zu begleiten, ihre eigenen Entwicklungswege zu beschreiten.
Und übrigens, wenn ich von Unterstützung spreche, meine ich die Schaffung von Rahmenbedingungen, die nicht nur standardisierte Angebote „von der Stange“ beinhalten. Entwicklung und Lernen ist viel mehr als „nur der Besuch eines Trainings“. Entwicklung und Lernen sind hochgradig individuell. Aus meiner Sicht geht es heute hauptsächlich um Hilfe zur Selbsthilfe und praktische Unterstützung bei der Umsetzung. Immer mit der Leitfrage: Wie ist es, wenn es gut ist?“. Diese hilft, eigenverantwortlich zu prüfen, ob das Entwicklungsziel bereits erreicht und passende Methoden dabei hilfreich waren. Wenn das zum Ausdruck käme, kann man von „neuem Lernen“ sprechen.